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Münzschnur, Schreckpfennig und Charonmünze

Münzschnur, Schreckpfennig und Patengabe, gehören fest zum sorbischen Brauchtum und sind ein wichtiger Bestandteil der sorbischen Kultur.

Manch einem wundert es schon, wenn er plötzlich in Deutschland zweisprachigen Orts- und Straßenschildern begegnet. Auch an den verschiedensten Geschäften kann man dann neben „Backwaren“ noch „pječwo“, oder „Obst und Gemüse“ und daneben „Sad a zelenina“ lesen. Was viele mit Staunen bemerken, dass ist für die Menschen in der Nieder- und Oberlausitz schon lange Alltag. Hier im Südosten von Deutschland im Land Brandenburg und dem Freistaat Sachsen, ist seit Jahrhunderten die Heimat eines westslawischen Volkes, den Sorben, welche in Deutschland als nationale Minderheit anerkannt sind. In der ehemaligen DDR war die sorbische Bevölkerung auch schon als nationale Minderheit anerkannt, dieses hatte man sogar in der Verfassung der DDR, Artikel 40 festgeschrieben. Im Einigungsvertrag wurde die Eigenständigkeit der sorbischen Menschen ebenfalls berücksichtigt. Seit 1842 besitzen die Sorben eine eigene Flagge in den Farben (Blau, Rot, Weiß) und mit dem Lied „Rjana Łužica“ („Schöne Lausitz“), eine eigene Hymne.

Die Lausitz ist zweisprachig

Nicht nur die eigene sorbische Sprache wurde hier über Jahrhunderte bewahrt und gelehrt, sondern auch viele alte Traditionen und Bräuche blieben in den Regionen erhalten und jedem wird wohl das traditionelle sorbische Osterreiten ein Begriff sein. Münzen und Medaillen haben im sorbischen Brauchtum und Kleidung schon immer eine große Rolle gespielt und es entstanden dann über die Jahre hinweg Schmuckstücke, welche man heute durchaus als historische Quelle bezeichnen kann.

Münzen oder Medaillen galten auch hier schon immer als Vermittler des Glaubens, als Schmuckstück, Patengabe oder als Amulett und Talisman. Sie galten als wichtiges Mittel in der Volksmedizin und waren über lange Zeiten ein Bestandteil des Totenkultes. Vieles hat sich bis heute bewahrt und so kann man noch heute auf einer zünftig gefeierten Sorbischen Hochzeit, die prächtige Münzschnur bewundern, welche zum typischen Schmuck von Brautjungfer und Braut zählt.

Münzen und Medaillen begleiten den Täufling

Schon zur Taufe eines Kindes geben die Paten in einem Patenbrief die ersten Münzen dem Täufling mit auf dem Weg. Dieser Patenbrief ist meist künstlerisch gestaltet, wird mit Münzen versehen und dann auf besondere Art gefaltet. Es wird darauf geachtet, dass im Patenbrief Münzen der verschiedensten Art in ungerader Zahl enthalten sind. Dieses soll andeuten, dass es dem Kinde nie am Geld fehlen soll. Gefundene Geldstücke werden zur Taufe ebenfalls gern als besondere Gabe dem Patenbrief beigelegt, denn gefundenes Geld bringt Glück. Einige Geldstücke werden noch heute von den Gästen der Taufe in das Eingebinde des Täuflings gesteckt. Auch später bekommt das Kind von seinen Pateneltern noch oft besonders gefaltete Briefe, wenn die Paten zu Besuch kommen, als Patengeschenk oder auch als Glücks- und Segensbringer überreicht. In der heutigen Zeit befindet sich zwar in den Patengeschenken nicht selten schon einmal ein Geldschein, überwiegend sind es allerdings Münzen geblieben.

Dämonen, Wendische Sprichwörter und etwas Geschichte

Man betritt ein wenig beschrittenes Gebiet, wenn man die Numismatik unter slawischen Gesichtspunkten betrachten will. Wendische Münzen und Medaillen, gehören nach wie vor zu den seltenen numismatischen Kostbarkeiten. Münzen aus Edelmetall wurden früher fast ausnahmslos zu Schmuckstücken verarbeitet und galten auch als ein wertbeständiges, allgemein anerkanntes Waren-Äquivalent. Nicht selten wurden dann zum Bezahlen die Münzen oder Schmuckstücke zerteilt. Davon zeugen viele Funde vom so genannten
„Hacksilber“ aus der Zeit der Wendenkreuzzüge (8.-12. Jahrhundert).

Wendische Brakteaten und Wendenpfennige waren im 10. und 11. Jahrhundert für den Handel im deutsch-westslawischen Gebiet im Verkehr. Im 13.-15. Jahrhundert waren in Pommern, Brandenburg, Mecklenburg und in der Niederlausitz auch ungewöhnlich kleine Silbermünzen im Gebrauch, worüber lange Zeit Numismatiker rätseln sollten. Die wendische Herkunft der auch als „Vinkenauge“ bezeichneten mittelalterlichen Kleinmünze konnte anhand des schon ungewöhnlichen Namens, schließlich vom Wendischen Museum geklärt werden.

Dämonen haben bis in unsere Zeit hinein beim Umgang mit Geld eine Bedeutung und treten zum Beispiel in der Form eines „Gelddrachen“ auf. Der Gelddrache (Pjenježny zmij) ist eine Sorbische/wendische Sagengestalt, die in vielen wendischen Sprichwörtern vorkommt. Zwei Sprichwörter sollen hier aufgeführt werden. „Štóž je pomałku do pjenjez přišoł, je sebi waži.“/„Wer langsam zu Geld gekommen ist, schätzt es.“ Oder „Štóž chce z knježimi skoržić, trjeba pjenježneho zmija.“/„Wer gegen die Herren klagt, braucht einen Gelddrachen.“ Der Gelddrache soll durch die Luft fliegen und wenn man ihm „stej“, „stehe“ zuruft, platzt dieser und schüttet das Geld aus. Eine im Brauchtum der sorbischen Bevölkerung heute nicht mehr angewandte Zeremonie bei der Bestattung der Toten, ist der Charonspfennig, welchen man dem Verstorbenen, meist war dieses eine Silbermünze, in den Mund steckte. Obwohl dieser Brauch nicht endgültig belegt werden konnte, ist es doch sehr wahrscheinlich, dass der Charonspfennig bei den Sorben, wie bei den Griechen eine Rolle spielte.

Amulette, Fieber- und Schreckpfennige

Man kann einen Fieber- und Schreckpfennig mit einem Pentagramm und Planetenzeichen noch heute in der Münzsammlung des Sorbischen Museums (Serbski Muzej) in Bautzen bewundern, doch im Gebrauch ist er bei der Bevölkerung nicht mehr. Dieser spezielle Pfennig sollte die Kleinstkinder vor Fieber und Erschrecken schützen. In den Großfamilien spielten Hausgötter, Penaten und Dämonen eine große Rolle. Sie wurden dann vor allem im Zusammenhang mit dem persönlichen Leben der Menschen bei Geburt, Hochzeit und Tod bemüht. Das Vogelei, als Symbol der Fruchtbarkeit, ist seit der frühgeschichtlichen Zeit ein fester Bestandteil im Brauchtum der Sorben geblieben und hat sich im Volksbrauch, als Osterei bis in unsere Zeit behauptet.

Die Šnóra (Münzschnur) ist ein prächtiger Brautschmuck

Zu den verschiedenen Trachtenvarianten der sorbischen katholischen Festtracht gehören die nicht selten sehr gewichtigen Münzschnüre. In der Oberlausitz, besonders in der Gegend um Bautzen, Löbau und Kamenz, hat sich der Schmuck erhalten und wird mit berechtigtem Stolz getragen. Dieser recht wertvolle Münzbrustschmuck gilt noch heute als Statussymbol und wird nicht selten seit Generationen in den Familien, meist in der weiblichen Linie, vererbt. Oft stammen dann die Münzgehänge aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und wurden immer weiter ergänzt. Man sammelte also in den Familien über viele Jahre hinweg Kleinmünzen, tauschte sie später in glänzende Silbermünzen ein und ließ diese dann vom Goldschmied zusammenfügen bzw. ergänzte eine vorhandene Münzschnur um weitere Stücke.

Da dieser Brautschmuck vorwiegend aus Silber- und Goldmünzen besteht, bringt er dann auch, je nach Größe, ein stattliches Gewicht auf die Waage. Schnell hängen dann ein Kilogramm Edelmetall oder gar noch mehr an der quergespannten silbernen Kette. Eine Goldmünze hat man gern als Abschluss unten in die Kette aufgenommen. Die mittlere Münzkette trägt meist die ältesten und zugleich die interessantesten Stücke. Wurde die Kette bereits seit Generationen vererbt, sind darin Münzen und Medaillen aus vier Jahrhunderten keine Seltenheit und immer wieder ist dabei ein ehemaliger sächsischer Monarch zu sehen.

In der Tradition der Sorben werden die Münzgehänge nicht wie man glauben mag, der ältesten Tochter vererbt, sondern es erbte meist die liebste Tochter den Brautschmuck der Mutter. Natürlich kamen dabei auch die jüngsten Töchter nicht zu kurz, man ließ dann zur Hochzeit eine neue Schnur anfertigen. Da dieser außergewöhnliche Münzschmuck nur zu großen Festlichkeiten getragen wird, sind die Münzen und Medaillen gut erhalten sowie meist mit einer herrlichen Patina versehen.

Die Münzschnur gestern und heute? Es gibt sie noch!

Mit Stolz tragen auch noch heute, die zahlreichen Brautjungfern und Gäste einer Hochzeit, oft finden sich bis zu 600 Gäste ein, ihre Festtracht. Münzschnüre sind dabei ein wichtiger Bestandteil einer zünftigen sorbischen Hochzeit geblieben. Sie werden heute meist mit modernen Euromünzen bestückt und sind natürlich immer noch aus Silber oder gar Gold.

Die geschickten einheimischen Goldschmiede können solche Münzschnüre noch immer kunstvoll fertigen oder auch reparieren. Heute kann man in solchen Schnüren die Silbermünzen aus dem Kaiserreich, neben denen der DDR und den modernsten Euromünzen finden. Eine solche Münzschnur hat zwar im unterem Bereich Münzen aus dem Eurozeitalter, sie stammt aber trotzdem von der Urgroßmutter ab, denn ganz oben beginnt die Kette mit einem 20-Mark-Stück von 1905 aus Gold.

Reiner Graff

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