Städtisches Bestattungswesen Meißen

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Stalin unter der Weihnachtstanne oder Verlorene Münzen auf dem Weihnachtsmarkt

Eine kleine Weihnachtsgeschichte

Wenn der Mensch etwas verliert, ist das meist eine traurige Angelegenheit, besonders dann, wenn es sich dabei um Geld gehandelt hat. Oft zerbricht man sich tagelang den Kopf darüber, wo denn die Münze abgeblieben ist, denn gerade eben lag sie ja noch in der Geldbörse sicher verwahrt. Irgendwann akzeptiert man allerdings den Verlust und schreibt das Stück als »Verloren« ab. Seit es Münzen gibt, werden diese auch gern von ihren momentanen Besitzern verloren.

Wird ein verlorenes Stück nicht gleich gefunden, dann erwartet die Münze eine unsichere Zukunft. Oftmals dauert es sogar Jahrhunderte, bis Münzen wieder aufgefunden werden. Für uns Kinder waren Münzen, welche verloren am Wegesrand lagen ein willkommener Segen, und so mancher Pfennig wanderte bei einem Streifzug an den Auslagen der Geschäfte entlang, in meiner Hosentasche. Besonders in der Vorweihnachtszeit lief ich mit meinen Freunden nach einer festgelegten Route durch die Gassen unserer Stadt. Jeder Pfennig oder auch »Fünfer« brachte uns die begehrte Zuckerwatte auf dem Weihnachtsmarkt näher, denn eigenes Geld besaßen wir nur in unseren Spardosen und »Taschengeld«, was war das? Die Auslagen der Schaufenster luden die Leute zum Verweilen ein und nicht selten blinkte es danach geheimnisvoll im schmutzigen Schnee. Vor den Läden wurde oft etwas an Kleingeld verloren, denn schon die dünnste Schneeschicht auf dem gepflasterten Gehweg verhinderte, dass die soeben heruntergefallene Münze ihre Besitzer mit lauten klimpern alarmierte.

Der Winter war daher für uns an Münzfunden ergiebiger als der Sommer. Wenn dann Anfang Dezember auf dem Marktplatz die große Weihnachtstanne im Lichterglanz erstrahlte und sich die ersten Karussells zur Weihnachtsmusik drehten, gab es an den geöffneten unzähligen Buden immer genug Kundschaft. Dabei ging im Gedränge oftmals eine Münze vom eben erhaltenen Wechselgeld verloren. Runtergefallen, Draufgetreten und mit der Zeit von anderen Leuten mit samt dem Schnee unter die Bratwurstbude geschoben, entwickelten sich die Stände auf dem Weihnachtsmarkt von Stunde zu Stunde auch unter den Ladentischen zu wahren Goldgruben. Diese galt es für uns Kinder unbemerkt auszuheben und vor allem zu bewahren. Die beste Zeit dazu war an jedem Abend kurz vor dem Schließen der Buden. Alles an Ware musste dann von den Verkäufern in Kartons gepackt und zum Auto transportiert werden.

Anschließend fegte man den angesammelten Schnee in und vor der Bude noch zusammen. Spätestens an dieser Stelle galt es für uns Kinder nun hilfreich einzugreifen, um an die verlorengegangenen Münzen zu kommen. Besonders ergiebig galten die speziellen Holzgitter auf dem die Verkäufer standen um ihre Füße vor der Kälte zu schützen. Natürlich wussten auch die Budenbesitzer von dieser »Münz-Quelle«, doch beim Einpacken der Ware sollte es eben auch schnell gehen um möglichst rasch an den warmen heimischen Ofen zu kommen. Da wir aber eine gute Hilfe waren, gönnte man uns die Kleinmünzen. Oft war man dort wie fest eingestellt und durfte an jeden Abend zum Schneefegen und Aufräumen am Stand wiederkommen. Allerdings galt dabei das Gesetz, alles Gefundene, ab dem 1-Mark-Stück und Geldscheine musste man an den Budenbesitzer abgeben. Trotzdem hat sich eine Weihnachtsmarkt-Saison immer gelohnt. Meinen schönsten Fund machte ich einmal direkt unter der großen Weihnachtstanne, mitten auf dem Marktplatz. Dabei war es gar nicht so einfach über den für mich noch hohen Zaun, zum in den bunten Lichtern blinkenden Etwas zu kommen.

Eines stand fest, klein war dieses Geldstück, wenn es dann auch wirklich eins war, nicht. Aber wie kam ich da heran um die Sache zu überprüfen? Meine Bommelmütze musste herhalten! »Onkel, die haben mir meine Mütze dort in den Schnee geworfen«, sprach ich einen Verkäufer an. Der hob mich kurzerhand über den Zaun und schon kniete ich vor der Tanne im Schnee. Nachdem ich mir das Stück »gesichert« hatte, half mir der Verkäufer auch wieder zurück. »Danke Onkel« und weg war ich. Zuhause erfuhr ich von meinem Vater, dass ich da in der Tasche den Genossen Stalin mitgebracht hatte. Es war ein 100-Kronen-Stück von 1949 aus der damaligen Tschechoslowakei zum 70. Geburtstag von Stalin, immerhin aus 500er Silber und noch voller Glanz. Dieses Stück liegt noch heute in meiner Sammlung und oft stelle ich mir die Frage, wie dieses Stück denn unter den Weihnachtsbaum gekommen ist. Kam die Weihnachtstanne damals etwa aus der Tschechoslowakei?

Auf alle Fälle muss der Verlust der Münze schon schmerzlich gewesen sein, denn auch 100 Kronen waren damals noch eine Menge Geld. Viele meiner gefundenen Stücke tauschte ich bei Freunden gegen Münzen ein, die sicherlich von Besuchern aus dem Auslande auf dem Weihnachtsmarkt verloren gingen und mit dem man bei uns nicht bezahlen konnte. So hatte ich mit 10 Jahren schon eine stattliche internationale Münzsammlung zusammengetragen. Ich lernte die Welt ohne zu Reisen auf Münzen kennen und wusste schon bald, dass man nicht nur in der Tschechoslowakei, sondern auch in Schweden mit Kronen bezahlt. Heute bin ich noch immer ein Freund der Münzen geblieben und habe im Laufe der Zeit erfahren, dass nicht immer die Erhaltung der einzelnen Münze im Vordergrund stehen muss. Vielmehr sind es die Geschichten, welche uns so manches Stück aus unserer Sammlung erzählen kann, die wirklich einzigartige Kostbarkeit. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gesegnete Weihnachtszeit.

Reiner Graff

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